Foto: bwi
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Zwischen Plessower See und Berlin-Marathon

Elke Lemke fühlt sich nur wohl, wenn sie läuft und läuft und läuft...

Knapp zwanzig Leute folgten Elke Lemke, als sie am Samstag, dem 14. Mai, vom Heimatmuseum Glindow zu einer Führung durch die Glindower Alpen aufbrach. So viele sind es selten, diesmal hatte der Förderverein Elisabethhöhe sich angemeldet. Von April bis Oktober bietet der Heimatverein an jedem zweiten Sonnabendvormittag des Monats solch eine geführte Wanderung an.

Wenn, ja wenn Elke Lemke nicht etwas anderes Wichtiges vorhat, zum Beispiel einen Marathon. Obwohl sie seit langem in Werder wohnt, fühlt sie sich Glindow, wo sie lange lebte und arbeitete, weiter verbunden. So wie sie vor Jahren ihr Wissen über das besondere Fleckchen Natur am Ortsrand von gebürtigen Glindowern wie Friedel Häberer oder Ilona Lorentz vermittelt bekam, würde sie es nun gerne an Jüngere weitergeben. "Ich werde nächstes Jahr schließlich auch schon siebzig", sagt sie. Das klingt angesichts der ranken sportlichen Frau wie Koketterie, ist aber nun mal ein Fakt.

Sportlich hatte Elke Lemke sich schon als Kind vielseitig versucht. Im Handball, im Turnen, in der Leichtathletik. "Wir hatten einen Schulleiter, der großen Wert auf den Sport legte", erinnert sie sich. Für das Mädchen war die Bewegung an frischer Luft vielleicht auch ein Stück Freiheit gegenüber der Enge zu Hause, denn als Elke und ihr Zwillingsbruder im Sommer 1953 in Damsdorf geboren wurden, waren sie die Nummer acht und neun in einer Kinderschar, die sich noch auf zehn vergrößern sollte. Und das Häuschen war klein. Selbst als die Eltern ein neues bauten und die ältesten Geschwister nach und nach für Ausbildung oder Studium eigene Wege gingen, blieb der Platz begrenzt.

Während Elkes Zwillingsbruder quasi schon in den Windeln wusste, dass er einmal Schiffskoch werden wollte, was er nie aus den Augen verlor und auch erreichte, war seine Schwester noch kurz vor dem Schulabschluss unentschlossen. Als die Zeit knapp wurde, legte der Vater ihr eine Zeitung vor die Nase, in der zahlreiche Betriebe um Lehrlinge warben. "Hier hast du reichlich Auswahl, such dir etwas aus. Dann gehen wir morgen hin und unterschreiben den Lehrvertrag." Sie tippte auf Einzelhandelskaufmann und begann im Herbst eine Lehre bei der Konsumgenossenschaft. Verkäuferin in der Jugendmode wurde nicht ihr Traumberuf.

Als die junge Frau 1974 ihren Sohn Larsen bekam, wurde sie zur Glindowerin. Hier lebte der Vater ihres Kindes, den sie später heiratete. Nach der Babypause begann sie im Schulhort zu arbeiten, qualifizierte sich nebenher zur Erziehungshelferin für Horte und Heime. Für sportliche Aktivitäten blieb der jungen Mutter damals kaum Zeit. Die Familie und der große Garten, mit dessen Obst und Gemüse das Familienbudget aufgebessert wurde, hielten sie dennoch in Bewegung. Ein Unfall bei der Ferienbetreuung im Sommer 1987 an der Ostsee setzte sie wegen einer gerissenen Achillessehne außer Gefecht. Es wurde eine langwierige Heilungsphase. Als sie wieder arbeiten konnte, war ihre Stelle besetzt. So kümmerte sie sich vorerst um Familie und Garten bis mit der Öffnung der Grenze Obst und Gemüse aus der Region nicht mehr gefragt waren. Dafür ergab sich eine neue Aufgabe: Die Großmutter ihres Mannes in Westberlin war plötzlich schnell erreichbar und benötigte im hohen Alter dringend Unterstützung.

Dennoch, Elke Lemke suchte einen neuen Einstieg ins Berufsleben. Anfang der 1990-er Jahre gab es zahlreiche Angebote zu Umschulungen, denn viele mussten sich neu orientieren. Der Zufall führte sie in eine Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister. (Das Gendern war hierzulande noch nicht in Mode.) Das passte zu ihr, und bis zur Rente behandelte sie in einer Werderaner Physiotherapie Menschen mit unterschiedlichen Beschwerden.

Eine Patientin erzählte ihr, dass sie als Walkerin an einem Halbmarathon teilgenommen hätte. Da Elke Lemke täglich mit dem Rad ein paar Kilometer zur Arbeit fuhr und mit einer Freundin regelmäßig im Fitness-Studio trainierte, war sie überzeugt, so einen Halbmarathon drauf zu haben. Heute lacht sie über die Blauäugigkeit, mit der sie damals an den Start gegangen war.

"Ich dachte während des Laufs wirklich irgendwann, ich sterbe auf der Strecke", hat sich ihr eingebrannt. Die Laufschuhe waren erst einmal abgeschrieben. Als wenig später ihr Sohn Larsen vom Arzt die Empfehlung bekam, für seine Gesundheit und zum Stressabbau laufen zu gehen, nahm der das sehr ernst. Das weckte nach einiger Zeit auch bei seiner Mutter wieder Interesse an den Laufschuhen. Larsen nahm sie mit in seine Berliner Trainingsgruppe, sie fuhr mit in ein Trainingscamp auf Sardinien. Ihre Zeiten verbesserten sich durch das gezielte Training. Dann schenkte der Sohn ihr einen Startplatz für den Berliner Halbmarathon. Diesmal war sie vorbereitet und ein Glücksgefühl trug sie über die Ziellinie. 2018 wagte sie sogar, bei ihrem ersten Berlin-Marathon anzutreten, also über die vollen 42,195 Kilometer. Ein Erlebnis, das sie unbedingt wieder haben wollte. Coronabedingt wurde das erst 2021 möglich. Für ihren dritten Berlin-Marathon in diesem September ist sie bereits angemeldet und freut sich riesig.

Etwa 45 km in der Woche läuft Elke Lemke in Werders Umgebung. Sie hat ihre Lieblingsstrecken, zum Beispiel um den Plessower See. Ob Preußenmeile, Spreewaldlauf oder rbb-Viertelmarathon, kaum einen Wettkampf in Berlin und Brandenburg lässt sie sich entgehen. Als erfahrene Läuferin intensiviert sie ihr Training vor einem Marathon. "Ich habe nicht mehr den Ehrgeiz, Superzeiten zu erreichen. Mir ist der Spaß an der Sache wichtig", versichert sie. "Ich muss weder mir selbst noch irgendjemandem etwas beweisen. Aber wenn ich ein paar Tage nicht laufen kann, fehlt mir etwas, geht es mir nicht gut."

 

Hinweis: Eine Führung durch die Glindower Alpen mit Elke Lemke findet regelmäßig jeden 2. Samstag im Monat von Anfang April bis Ende Oktober statt. Treffpunkt ist immer um 10 Uhr am Heimatmuseum, Kietz 3, 14542 Werder OT Glindow.

Genaue Termine unter "Veranstaltungen" -> www.glindow.de/index.php/veranstaltungen

 

Text: Edith Mende

Fotos: Edith Mende, Elke Lemke, Ronald Hentschke, bwi